Tagtäglich kommen wir an Gebäuden und Monumenten vorbei, denen wir kaum Beachtung schenken. Dabei erzählen viele von ihnen spannende Geschichten über vergangene Tage und Menschen, die einst stadtbekannt waren. So auch der Brunnen in der Leopoldstraße, den die meisten von euch vermutlich nicht kennen oder nie bewusst wahrgenommen haben. Dabei huldigt er einem absoluten Münchner Original.
Die Leopoldstraße 77

Das prächtige Gebäude zählt unter Architekturfreunden als Perle des Jugendstils. Die Fassade mit dem asymmetrischen Giebel ist reich mit Ornamenten und Stuck verziert und die hübschen floralen Muster weisen Elemente des Barocks auf. An der Ecke befindet sich ein Turm, der dem Bau etwas Herrschaftliches verleiht. Man kann sich in dem Anblick verlieren, sofern man sich die Mühe macht, den Blick zu heben. Das Mietshaus wurde durch den Architekten Martin Dülfer realisiert und 1902 fertiggestellt. Er galt als Wegbereiter des Jugendstils und das Haus ist ein Paradebeispiel für die Architekturform, die in München entstand und für die die Stadt berühmt ist.
Aber das Gebäude alleine ist nicht die einzige Besonderheit an dieser Adresse. Vor dem Haus befindet sich ein Brunnen mit einem Steinbecken und einer Bronzeskulptur, die eine Frau darstellt. Sie trägt ein Rüschenkleid, eine Krone und eine breite Scherpe. Die Inschrift auf einer Tafel am Rande des Beckens verrät Näheres: „Miss Schneizlreuth wohnte ihr Leben lang im Anwesen Leopoldstraße 77“. Seit 1992 steht der Brunnen hier und ehrt eine Münchner Sängerin, die bereits im zarten Alter von fünf Jahren das erste Mal auf der Bühne im Odeons-Saal stand und das Publikum begeisterte.
Wer war Bally Prell?
Eine weitere Tafel am Brunnen erklärt und, dass es sich bei Bally Prell um die Volkssängerin und Humoristin Bally Prell handelt, die 1922 in der Leopoldstraße 77 geboren und knapp 60 Jahre später hier verstorben war. Ihr bürgerlicher Name lautete Agnes Pauline, doch ihr Bruder Ferdinand verpasste ihr den Spitznamen Bally, der später ihr Künstlername wurde. Ihr Vater hatte eine große Leidenschaft für die Volkssängerei und komponierte eigene Stücke.
Er schrieb auch das Lied, mit dem ihr der große Durchbruch gelang. 1953 trat sie mit 31 Jahren das erste Mal im Platzl auf und sang mit ihrer tiefen Altstimme „Die Schönheitskönigin von Schneizlreuth“. Das Lied handelt von einer Frau, die aus dem Berchtesgadener Schneizlreuth nach München reist, um an einem Schönheitswettbewerb teilzunehmen. Dabei persifliert der Text, aber auch Bally mit ihrem Auftritt und ihrem Kostüm, die Beliebtheit der aufkommenden Miss-Wahlen der 1950er Jahre.
Ihr Leben lang trat Bally im Platzl auf und blieb der Bühne dort treu. Dabei sang sie nicht nur Stücke ihres Vaters, sondern auch selbst komponierte Lieder und Arien. Darüber hinaus war sie auch in den Filmen „Heiraten verboten“ und „Zwei Bayern im Harem“ zu sehen. Über Privatleben weiß man hingegen wenig. Sie lebte sehr zurückgezogen, bewegte sich hauptsächlich im Kreis der Familie und suchte neben der Bühne kaum das Gespräch. Sie starb letztlich 1982 im Alter von 59 Jahren an den Folgen einer Kropfoperation und fand ihre letzte Ruhe auf dem Münchner Nordfriedhof.
Der Brunnen vor Bally Prells Wohnhaus wurde 10 Jahre nach ihrem Tod errichtet. Die Idee dazu stammte von Bildhauer Wolfgang Sand, die Skulptur wiederum entwarf Werner Braun. Weiterhin wurde ihr zu Ehren in Lochhausen eine Straße nach ihr benannt. Ihr legendäres Bühnenkostüm, bestehend aus Kleid, Scherpe, Handschuhen und Krone, ist im Stadtmuseum ausgestellt.