Auf den ersten Blick unterscheidet das Wirtshaus nicht viel von anderen. Helle Fassade, Markise, Schanigarten außen, große Tische, dunkel vertäfelte Wände und warme Wandleuchten innen. Doch genau hier haben sich über die Jahrzehnte viele Geschichten abgespielt, von denen die meisten Besucher nichts wissen. Jahrelang war dieses Lokal der Hot Spots der Münchner Kultur- und Musikszene und noch heute spielt Musik eine große Rolle im Veranstaltungsprogramm der Gaststätte. Ein paar Relikte zeugen immer noch von der alten Zeit.
Gegründet in der Walpurgisnacht
Im Jahre 1903 zog die Wirtin Kathi Kobe von der „Dichtelei“ in der Adalbertstraße in die Räume des Kafeehaus „Kronprinz Rudolph“ in der Türkenstraße um. Der Umzug in die neue Lokalität soll sich in der Walpurgisnacht des Jahres 1903 vollzogen haben, ihre Kundschaft half tatkräftig mit. Was damals noch keiner ahnte: Das neue Lokal sollte sich schnell zu einer absoluten Münchner Institution entwickeln.
Da ihr die Erlaubnis verwehrt blieb, ihre neue Gaststätte „Neue Dichtelei“ zu nennen, orientierte Kathi sich bei der Namensgebung an ihrer Kundschaft. Viele ihrer Stammkunden waren Autoren und Redakteure der Satirezeitschrift „Simplicissimus“. Sie übernahm den Namen für ihr Lokal und bekam obendrein das Logo der Zeitschrift in abgewandelter Form geschenkt. Eine rote Dogge, die, statt die Ketten der Zensur zu zerbeißen, an einer Flasche Champagner nagt.
Doch man traf sich hier nicht einfach nur, um bei einem Gläschen Wein zu plaudern. Regelmäßig traten auf der Bühne die Dichter und Literaten der schwabinger Bohème auf, um das Publikum zu inspirieren und zu begeistern. Auf ebendieser Bühne soll zuallererst der Ausdruck „Dada“ gefallen sein, der später namensgebend für die Strömung des „Dadaismus“ wurde.
Kathi ging 1922 in den Ruhestand und der Simplicissimus bekam einen neuen Pächter. Als 1944 eine Bombe das Lokal zerstörte, erhielt es einen neuen Namen, den es aber nicht lange behielt. Bis 1960 wechselten Namen und Pächter häufig, bis sich schließlich eine neue Wirtin fand, die die Gaststätte in ihre Renaissance führte.
Vom Kabarett- zum Musiklokal mit Starbesuch

1960 übernahm die junge Toni Netzle das Lokal. Vom Wirtschaften hatte sie wenig Ahnung, von der Unterhaltung hingegen schon, denn ihr Traum war es, Schauspielerin zu werden. Die Bühne war es schließlich, die sie ins ehemalige Simplicissimus lockte. Und sie brachte ihre Kollegen mit, andere Schauspieler. Ihr Mann war Musiker, wodurch wiederum andere Musikkünstler sich in die Gaststätte verirrten, die bis morgens um neun Uhr auf der Bühne jammten. Dies lockte schließlich auch Musikverleger an, wie Ralph Siegels Vater Ralph Maria Siegel. Dieser schenkte Toni einen Flügel für ihr Lokal. An eben jenem Flügel spielte 1961 der berühmte amerikanische Jazz-Musiker Duke Ellington.
Damit hatte der Simpl seinen Ruf und es kamen weitere Prominente über die Jahre und Jahrzehnte. Brigitte Bardot feiert 1968 ihre Filmpremiere in der Gaststätte, angeblich um ihrem Ex Gunter Sachs zu imponieren. 1980 wiederum hätte Toni beinahe Robert De Niro und Harvey Keitel aus ihrer Gaststätte geworfen, da sie sie für Obdachlose hielt. Erst als diese sich mit zu ihrem Filmproduzenten an den Tisch setzten und begannen, englisch zu sprechen, fiel der Groschen. Bis 1992 war Toni Netzle Wirtin des Alten Simpls und wurde wie auch schon Kathi Kobe selbst zur Ikone.
Der Alte Simpl heute
Noch heute zeugen die Fotos an den Wänden von den alten Zeiten und den Berühmtheiten, die hier früher ein- und ausgingen. Prominente verirren sich nicht mehr hierher, aber trotzdem bleibt der Simpl eine Institution in der Maxvorstadt. Das alte Logo erinnert noch an die Ursprünge des Lokals, auch wenn es den Namen Simplicissimus lange abgelegt hat.
Der Simpl überzeugt mittlerweile vor allem durch seine bayrisch-internationale Küche sowie sein buntes Programm. Regelmäßig finden Pub Quizzes, Bingo-Abende, Piano-Jams, Open Mics und das Wirtshaussingen statt und erhalten die Bühnentradition am Leben. Freunde der guten Unterhaltung und Musik kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten und sollten alleine schon wegen der bewegten Geschichte in dieser Münchner Legende vorbeischauen.
