Ende des 19. Jahrhunderts fuhr zum ersten Mal der bis heute weltberühmte Nachtzug „Orient Express“. Damals war dieses Motiv vieler Romane und Filme eine der schnellsten, sichersten und exklusivsten Möglichkeiten, durch den Kontinent zu reisen. Eine Reise in einer komfortablen Schlafkabine quer durch Europa, zum Beispiel von Paris ins heutige Istanbul, war etwas Besonderes – und nur für Reiche erschwinglich.
Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts waren die Nachtzüge jedoch eindeutig im Niedergang begriffen. Billigfluglinien, Fernbusse und auch Hochgeschwindigkeitszüge waren zur starken Konkurrenz für die Eisenbahn geworden, was zur Einstellung zahlreicher Zugverbindungen führte. Ein gewisser Mangel an Zusammenarbeit zwischen den Eisenbahngesellschaften war ebenfalls nicht hilfreich: Die Verbindungen zwischen den einzelnen Bahnlinien waren mitunter unzureichend, und die Reisenden mussten für jede Bahngesellschaft zusätzliche Fahrkarten kaufen. Doch seit dieser Woche hat sich dies alles geändert.
Von der Stadt der Musik zur Stadt der Liebe
Seit vergangenem Montag nehmen französische, deutsche und österreichische Bahngesellschaften einen Nachtzugdienst wieder auf, der 2009 eingestellt worden war. Er verbindet Wien mit Paris in vierzehn Stunden und hält in Städten wie Salzburg, Straßburg und natürlich auch München.
Der Nightjet, so der Name, verkehrt dreimal wöchentlich, beginnend Montag, Donnerstag, Samstag ab Wien und Dienstag, Freitag, Sonntag ab Paris und macht um Mitternacht in München am Ostbahnhof Halt. Von dort sind es rund zehn Stunden bis zu Gare de l’Est in der französischen Hauptstadt und eine Stunde weniger bis zum Hauptbahnhof der Österreicher.
Jeder Zug besteht aus sieben Waggons mit 360 Sitzplätzen. Es gibt Sitzwagen, Liegewagen und Schlafwagen. Alle Wagen sind mit Duschen ausgestattet. Die Preise liegen zwischen einhundert und zweihundert Euro für die Buchung eines Wagenabschnitts, je nach Typ. Darüber hinaus wird in den Liege- und Schlafwagen ein Frühstück und im Schlafwagen eine warme Mahlzeit serviert.
Die Bahnunternehmen rechnen mit einem großen Interesse der Reisenden am Nachtjet. So sehr, dass die Deutsche Bahn plant, das Angebot in den kommenden Jahren auf weitere Strecken auszuweiten. Es handelt sich ja unter anderem um eine entspannte und besonders nachhaltige Alternative zum Flugzeug. Außerdem ist die Strecke Paris-München-Wien zufällig auch die erste Etappe des legendären Orient Express. Es ist also auch ein bisschen wie eine Zeitreise.